Frühe Ansiedlung - Mittelalterliche Spuren in Dortmund

Lühringshof/Westenhellweg

Die ältesten Spuren jüdischen Lebens in Westfalen stammen aus Dortmund! Aus dem Jahr 1074 stammt ein Privileg Kaiser Heinrichs IV., das Juden bei geschäftlichen Transaktionen in Dortmund Zollfreiheit gewährt. Nur wenig jünger ist der Bericht über eine jüdische Familie, die 1096 vor Gewalttätigkeiten im Zuge des ersten Kreuzzugs von Köln nach Dortmund geflohen war. Die Familie erwartete in Dortmund ein grausames Schicksal: Um der erzwungenen Taufe zu entgehen, tötete der Vater seine Ehefrau und die drei Kinder. Als sein Selbstmord scheiterte, sei er von den Dortmundern lebendig begraben worden, so berichten die Überlieferungen.

In den folgenden Jahrhunderten lassen die Quellen das jüdische Leben in Dortmund immer greifbarer und lebendiger werden. Ab dem frühen 13. Jahrhundert waren dauerhaft Juden in Dortmund zu Hause. Sie pflegten ein reges Gemeindeleben und boten einen wichtigen Anlaufpunkt für Juden aus Westfalen und dem Rheinland.

Das Zentrum jüdischen Lebens in Dortmund fand sich am Westenhellweg. Dort, wo heute die Straße Lühringshof den Hellweg mit der Kampstraße verbindet, stand spätestens seit Mitte des 13. Jahrhundert eine Synagoge. Daran angeschlossen waren eine Mikwe und ein Haus, das von der Gemeinde genutzt wurde. Die Häuser der in Dortmund beheimateten Juden befanden sich in unmittelbarer Nähe. Für die Grundstücke musste die jüdische Gemeinde dem Rat der Stadt eine Pacht zahlen. Außerdem waren die Gemeindemitglieder zu Wach- und Grabendiensten verpflichtet. Vor dem heutigen Westentor existierte ein jüdischer Friedhof.

Illustration aus: Mahzor. Gebetbuch zu den Sabbaten, ausgezeichneten Sabbaten und zu den Festtagen, Hammelburg, 1347/​1348, fol. 33r. Online unter: http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Cod-Or-13/0066.
Mann mit Judenhut
Rechts: Mann mit Judenhut. Zwischen dem 12. und 13./14. Jahrhundert Attribut für einen zum Judentum gehörenden Mann. Aus: Codex Manesse, Zürich ca. 1300 bis 1340, fol. 355r. Online unter https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0705.
Im Zuge der im 14. Jahrhundert grassierenden Pest kam es vielerorts zu Judenpogromen. Die Dortmunder Juden wurden 1350 inhaftiert und schließlich aus der Stadt vertrieben. Ihren Besitz teilten sich der Rat der Stadt und Graf Engelbert von der Mark, unter dessen Schutz die Dortmunder Juden standen, untereinander auf.
Ein gelber Ring diente etwa seit dem 13. Jahrhundert als Kennzeichnung für Jüdinnen und Juden. Aus: Marcus zum Lamm: Thesaurarus Pictuarum, um 1600. Public domain, via Wikimedia Commons.
Über 20 Jahre später entschloss sich der Rat zur Wiederaufnahme von Juden. 1373 zog schließlich wieder eine jüdische Familie nach Dortmund. Friedhof, Synagoge und weitere Einrichtungen wurden wieder in Betrieb genommen. Die jüdische Gemeinde bestand mit Unterbrechungen bis zur Vertreibung im 16. Jahrhundert weiter. Nach der Vertreibung 1596 lebten bis ins 19. Jahrhundert keine Juden mehr in Dortmund. Erst 1808 zogen wieder jüdische Familien zu, nachdem das bis dato bestehende Verbot der Judenansiedlung in Dortmund aufgehoben worden war.