Stefan Engel

Stefan-Engel-Platz

In den 1920er Jahren verlief der Start ins Leben für viele Kinder in Dortmund alles andere als optimal. Die Kindersterblichkeit war hoch, dazu kamen Krankheiten wie Tuberkulose oder Rachitis, die besonders unter kleineren Kindern grassierten. Enorm verbessert wurde die Situation von einem Mann, der 1933 aus dem Amt gedrängt wurde: Stefan Engel.
Foto Stefan Engel
Stefan Engel Stadtarchiv Dortmund

Stefan Engel wurde 1917 nach Dortmund berufen. Vor seiner Teilnahme als Oberstabsarzt am Ersten Weltkrieg hatte Engel zu Kinderheilkunde geforscht und habilitiert. Nach Dortmund kam er, um die Kinder- und Jugendfürsorge der Stadt zu übernehmen. Bei seiner Ankunft gab es in der Stadt mit knapp 300.000 Einwohnern gerade einmal zwölf Krankenhausbetten für Kinder und dazu ein Säuglingsheim. Dabei war die gesundheitliche Lage für Kinder ob der schlechten Luft in der Industriestadt und der oft sehr prekären Wohnverhältnisse schlecht. 

Engel, der neben der medizinischen auch die soziale Schieflage vieler Familien in Dortmund erkannte, baute ein umfassendes Präventivprogramm auf: Er schulte Fürsorgerinnen, die gefährdete Familien aufsuchten und gründete Kindergärten und -krippen. Nach seinen Plänen wurde ab 1927 die Dortmunder Kinderklinik, die sogenannte „Engelsburg“ errichtet, deren Leitung er bis 1933 innehatte – ab 1931 auch als Ärztlicher Direktor der gesamten städtischen Krankenanstalten. Engel entwickelte ein Schulungsprogramm für Krankenschwestern, stellte gleichermaßen Ärzte und Ärztinnen ein und gründete eine Mütterberatungsstelle. Er ließ Plakate drucken, die junge Mütter über Situationen aufklärten, die für Säuglinge gefährlich werden konnten. Außerdem gründete er die bis heute bestehende Zeitschrift „Kinderärztliche Praxis“. Für den guten Ruf, den die Dortmunder Kinderklinik bis heute trägt, war er maßgeblich verantwortlich. 

Kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichkanzler begannen Schikanen gegen Stefan Engel und andere jüdische Ärzte: Immer wieder nahm man ihn in Schutzhaft, unterstellte ihm Unterschlagung öffentlicher Gelder. Im März 1933 bezeichnete man ihn im NS-Organ „Rote Erde“ als Kindermörder. Die stetigen Repressalien und öffentlichen Verunglimpfungen führten dazu, dass Engel sein Amt aufgab und nach Berlin zog. Dort arbeitete er bis 1936 in der jüdischen Poliklinik, bevor er nach England auswanderte und dort seine ärztliche Laufbahn erfolgreich fortsetzte. Er und seine Familie überlebten den Holocaust nicht zuletzt, weil Stefan Engels herausragende Arbeit in Dortmund ihm die Tür nach England geöffnet hatte. Er starb 1968 in London.