Steinwache

Steinstraße 50

„[…] in Dortmund 100 Juden in Schutzhaft genommen […] “ – so lauten die lapidaren Worte eines Polizeiberichts vom 28. März 1933. Sie vermögen nicht widerzuspiegeln, welcher Terror bereits im Frühjahr 1933 gegen die jüdische Bevölkerung begonnen hatte:
Vor allem Mitglieder der SA und SS machten Jagd auf jüdische Dortmunder, trieben sie durch die Stadt, misshandelten und demütigten sie. Antijüdische Propaganda prangte auf Plakaten und Zeitschriften. Ende März wurden schließlich hunderte jüdische Männer in „Schutzhaft“ genommen und unter anderem im Gestapo-Gefängnis Steinwache inhaftiert. Zweitausend Menschen schauten dem Spektakel zu, wie aus dem Polizeibericht ebenfalls hervorgeht. 

Wenige Tage später fanden die antisemitischen Maßnahmen im sogenannten „Judenboykott“ vom 1.April 1933 einen ersten Höhepunkt. „Kauft nicht bei Juden“ – so oder ähnlich lauteten allerorts die Parolen, die an Geschäfte, Arztpraxen oder Anwaltskanzleien geschmiert wurden. Dortmunder, die sich nicht daranhielten, wurden von der SA fotografiert und ihre Fotos am nächsten Tag veröffentlicht. Auch an diesem Tag wurden hunderte jüdische Männer in der Steinwache inhaftiert. Viele wurden des nachts aus ihren Zellen geholt und misshandelt. Nach diesen Erlebnissen ahnten bereits einige, was noch folgen sollte und zogen für sich Konsequenzen: Viele jüngere Menschen verließen Dortmund und gingen ins Ausland. Andere litten so große psychische Qualen, dass sie Suizid begingen. 

In den folgenden Jahren führten die antijüdischen Maßnahmen zur systematischen Entrechtung, sozialen Isolierung und wirtschaftlichen Ausplünderung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Ihren Höhepunkt erreichte diese Phase der Verfolgung mit der Deportation der Juden polnischer Staatsbürgerschaft an die polnische Grenze im Oktober 1938 und im Pogrom des 9./10. Novembers desselben Jahres: in Dortmund verwüstete der Mob Geschäfte, das jüdische Gemeindehaus und drang auch in Privatwohnungen ein. Jüdische Männer wurden verhaftet, in die Steinwache gebracht und von dort aus wenige Tage später ins KZ Sachsenhausen verbracht. Hier mussten sie Zwangsarbeit leisten. Demütigungen und Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Nach etwa drei bis fünf Wochen wurden die Männer entlassen und durften nach Hause zurückkehren.

Foto Sportplatz Eintracht
Der Eintracht-Sportplatz war Sammelpunkt für die Deportierten. Stadtarchiv Dortmund

Die Deportationen jüdischer Männer, Frauen und Kinder aus Dortmund und Umgebung begannen im Januar 1942. Dazu hatten sie sich in Dortmund einzufinden. Sammelstellen waren die Sporthalle der „Eintracht“, heute Kreuzung B1/Ruhrallee und die Gaststätten „Deutsches Haus“ am Brackeler Hellweg sowie „Zur Börse“ gegenüber der Steinwache. Über 300 Dortmunderinnen und Dortmunder wurden am 27. Januar 1942 vom Dortmunder Hauptbahnhof aus mit Güterzügen ins Ghetto Riga deportiert. Dazu kamen viele hundert Personen aus den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster. Weitere Deportationen erfolgten im April nach Zamość, im Juli nach Theresienstadt und im März 1943 nach Auschwitz.

Foto Deportation
Von der Steinstraße auf dem Weg zum Deportationszug. Stadtarchiv Dortmund

Von den 4.500 Jüdinnen und Juden, die 1933 in Dortmund zu Hause waren, wurden etwa 2050 ermordet. Die anderen konnten fliehen, einige wenige überlebten versteckt in der Stadt. Trotz des Leids, das ihnen in ihrer Heimat angetan wurde, gründeten Überlebende die jüdische Gemeinde in Dortmund unmittelbar nach Kriegsende neu. 

Die Steinwache, in der Weimarer Republik modernstes Gefängnis Westdeutschlands, wurde unter NS-Herrschaft zu einem der gefürchtetsten Orte Dortmunds und der Region. Heute dient sie als Mahn- und Gedenkstätte und erinnert an die Opfer der NS-Diktatur.